Vortrag und Diskussion 2017

Wahlen gelten als Glanzstück der Demokratie. An ihrer periodischen Abhaltung soll sich entscheiden, ob ein Volk in Freiheit oder Knechtschaft, ob es gut oder schlecht lebt. Sogar Kriege sind im Namen eines „regime change“ für Demokratie und Wahlen geführt worden, auch wenn die betroffenen Völker danach gar nicht gerufen haben.

In deutlichem Kontrast zu diesem enormen Stellenwert der Wahlen steht die schlechte Meinung über sie, die auch die aktuelle Wahlentscheidung wieder begleitet.

  • Der Wahlkampf gilt als extrem langweilig, die Mobilisierung des Wählers als schwere Aufgabe. Er hat die Wahl auch gar nicht bestellt, der politische Kalender hat sie anberaumt. Die Regierenden haben mit Eurokrise, Syrienkrieg und anderem genug zu tun und betrachten das Schaulaufen vor dem Wähler eher als Last und Abzug vom notwendigen Handwerk. Für wen oder was sind Wahlen so wichtig, wenn sie eine Herzensangelegenheit weder des Volkes noch seines politischen Führungspersonals sind?
  • Alternativen werden vermisst. Die großen Volksparteien haben bei der sozialen Verarmung wie der Rettung des Finanzsektors dieselbe Politik betrieben. Überhaupt gelten im Großen und Ganzen alle Parteien untereinander als „koalitionsfähig“, weil es nennenswerte programmatische Differenzen nicht gibt. Warum wird auf die Darstellung von Alternativen wert gelegt, wenn es in der Sache, für die die Parteien einstehen, gar keine gibt? - Wenn sich dann doch einmal eine Partei mit einer „Reichensteuer“ von der Konkurrenz absetzen und beim Wahlvolk beliebt machen will, wird sie vom Rest des „Populismus“ geziehen. Das ist unter Demokraten ein politisches Verbrechen. Warum gelten wirkliche oder vermeintliche Wohltaten fürs Volk in demokratischen Wahlen als ungehöriger –ismus?
  • Wenigstens bei den Personen, die kandidieren, soll ein Unterschied sichtbar werden, der bei den politischen Inhalten der Parteien nicht existiert. Ude will „Wort halten“; das gilt unter Politikern offenbar als Auszeichnung. Steinbrück mag beim „Gummistiefelwettbewerb“ vor laufenden Kameras anlässlich der Flut nicht mitmachen; Verstellung gehört wohl zum Handwerkszeug. Andere legen sich einfach eine neue Brille und Frisur zu. Schauspielkunst scheint eine Schlüsselqualifikation für den Kampf um höhere Ämter zu sein. Warum wendet sich die Öffentlichkeit nicht angewidert ab, sondern ermittelt in Sonntagsfragen und Sympathieskalen, wer als wie guter Selbstdarsteller beim Volk ankommt?
  • Wenn der Wahlkampf die Plagiats- und Honoraraffären, den Steuer- und Ehebetrug wichtiger Persönlichkeiten durchgehechelt hat, kennt der Wahlbürger wieder „die da oben“, hat ihren „Schwindel“ durchschaut und schimpft über die „Waschmittelwerbung“, die ihm da statt „echter Überzeugung“ als Wahlkampf verkauft wird. Am Wahltag aber kennen die meisten wieder genug Unterschiede und gute Gründe, um das „kleinere Übel“ zu wählen. Warum wollen Menschen partout unter ihnen vorgesetzten „Übeln“ eine Auswahl treffen?

So viel steht fest: Der Aufwand, der da für diesen „Schwindel“ getrieben wird, ist enorm. Und ebenso das Ergebnis: Alle Härten und Zumutungen, die eine Regierung ihrem Volk auferlegt, sind mit der prinzipiellen Zustimmung der Geschädigten versehen. Nicht zum Inhalt der Maßnahmen, aber zum Personal, das sie für jedermann verbindlich verfügt.

Teil 1
Teil 2
Teil 3
Teil 4
Lesetipp